2023 - Jahresbericht

Traurigerweise dauert der Krieg immer noch an und ein Ende ist nicht in Sicht. Eigentlich gibt es nicht viel Neues zu berichten. Die Menschen in den Unterkarpaten haben sich mit der Situation so gut es geht arrangiert und viele, wenn auch veränderte Lebensumstände sind inzwischen zu einer gewissen „Normalität“ geworden.

Ja, die Unterkarpaten gehören nach wie vor zu den ruhigsten Gebieten der Ukraine. Es gibt, Gott sei Dank, keine Kämpfe. Wohnhäuser, Fabriken, kirchliche Gebäude sind in den Unterkarpaten intakt. ABER: Auf nahezu jedem Friedhof wehen die ukrainischen gelb-blauen Fahnen über Gräbern, in fast jedem Ort leben Frauen, Kinder oder alte Väter, die ihre Ehemänner, Väter oder Söhne beweinen. Ein Kriegsopfer ist auch jemand, der aufgrund der Situation ohne Vater aufwächst. So wie ein älterer Mensch, der im Alter ohne die Unterstützung seiner erwachsenen Kinder lebt und mit ein paar Griwna in der Hand am Tor seines Häuschens im Dorf wartet und sucht, wem er das Geld geben und bitten kann, ihm Brot zu bringen. Täglich sterben auch Menschen aus den Unterkarpaten im Krieg. Es gibt viele Menschen, die in der Region allein gelassen werden.


Die Zahl der wehrpflichtigen Männer, die versuchen, illegal über die „grüne Grenze“ in die Slowakei, nach Ungarn oder über die Theiss und die Berge nach Rumänien zu kommen, steigt. Andere versuchen es mit gefälschten Papieren an den offiziellen Grenzübergangsstellen. Nicht allen gelingt es, die Ukraine auf diese Weise zu verlassen.
Seit dem 1. Oktober sind die neuen Regeln für die militärische Registrierung von Frauen in medizinischen Berufen in Kraft getreten. Noch haben sie keine Auswirkungen auf deren Ausreisemöglichkeiten aus der Ukraine.

Auch die Situation in der Reformierten Kirche der Unterkarpaten ist nicht leicht. Seit Kriegsbeginn sind alle Pfarrer im Land geblieben. Die Kirche nahm Flüchtlinge aus allen Teilen des Landes in ihren Gemeindehäusern, Altenheimen, Schulen und Kindergärten auf. Zum ersten Mal gab es in der ungarischsprachigen Kirche Gottesdienste und Bibelstunden auf Ukrainisch. Die Geflüchteten waren beeindruckt von der Gastfreundschaft. In der ukrainischen Mehrheit gab es lange Jahre Vorbehalte gegen die ungarische Minderheit. Auch Männer aus reformierten Gemeinden kämpfen im Krieg. In jeder Gemeinde gibt es inzwischen Witwen und Waisen.
Zunehmend schwindet die Hoffnung der Menschen. Soweit es irgend geht, soll das kirchliche und Gemeindeleben so normal wie möglich gestaltet werden. Kinder- und Jugendfreizeiten, Evangelisationswochen oder auch Gemeindefeste gehören wieder dazu.

Herbstmarkt in Vári
Entzünden der 1. Adventskerze Vári

Hilfstransporte

Sieben Transporte konnten in diesem Jahr realisiert werden. Dabei waren auch zwei Fahrzeuge sowie eine Feldküche für die Front. Regelmäßig bringen Freunde des Vereins Hilfsgüter nach Barabás, einem kleinen Dorf unmittelbar an der ungarisch-ukrainischen Grenze.
Dankbar sind wir für alle Bewahrung auf den vielen Reisen.

Weihnachts­päckchenaktion

Gegenwärtig sind wir im Endspurt unserer Aktion „Weihnachtsfreude“ und es sieht ganz danach aus, dass wir die Spendensumme des Vorjahres wieder erreichen. Dafür allen Spendern ein herzliches Dankeschön.

Freude über Weihnachtsgeschenk
Junge bekommt Geschenk

Vieles hat sich verändert in der Lebenswelt der Kinder. Fröhlichkeit und Glücksmomente sind sehr selten geworden. Immer wiederkehrender Luftalarm, Aufenthalt in Bunkern und Kellern und lange Stromabschaltungen gerade in den Wintermonaten belasten sie in ungeahntem Ausmaß. Familien sind auseinandergerissen. Jungen und Mädchen haben Angst um ihre Väter und Brüder im Krieg. Andere Familienangehörige sind ins Ausland geflüchtet, frühere Schulkameraden und Freunde oft weit weg.

Gerade in diesem Jahr sind viele Mütter mit ihren Kindern weggegangen, deutlich mehr als im ersten Kriegsjahr. So wird sich die Zahl der beschenkten Kinder merklich verringern. Angesichts dieser Tatsache und der stark gestiegenen Preise haben wir in Absprache mit unseren Partnern beschlossen, den Wert der Päckchen anzuheben. Etwa 5000 Kinder werden sich aber auch in diesem Jahr über ihr Geschenk aus Deutschland freuen und für einen Moment den Krieg und alles Drumherum vergessen.

Projekte und Unterstützungen

Nach wie vor sammeln wir Spenden unter dem Kennwort „Krisenhilfe“ zur Unterstützung unserer Partner in den Unterkarpaten.
Die dortige Reformierte Kirche schickt immer noch Hilfsgüter in die Kriegsgebiete im Osten des Landes. Sie kommt damit den Vorgaben des ukrainischen Staates nach. Aber die weiten Transporte kosten auch Geld. Und sie sind nicht ungefährlich. Unlängst überführte Pfarrer Szeghljánik ein Feuerwehr-Fahrzeug nach Charkiw. Die offizielle Übergabe erfolgte in einer Straße, in der kurz vorher eine russische Rakete einschlug.

zerstörte Häuser in der Ostukraine … solche Bilder sieht Pfarrer Szeghljánik oft

Der reformierte Pfarrer kommt regelmäßig zu den Soldaten aus seiner Heimat und dabei niemals mit leeren Händen.
Hilfe in Form von Medikamenten, Kleidung oder Lebensmittel ist ebenso wichtig wie die moralische Unterstützung in Form von Gesprächen und Gottes Wort.

Pfarrer Szeghljánik unter Soldaten
Kesselgulasch für alle

„Gottes Wort in dieser schwierigen Zeit zu hören gibt uns allen mehr Kraft. Vielen Dank für Ihren Besuch und Ihr Gebet“ – bedankten sich die Soldaten bei Pfarrer Szeghljánik. Extra für ihn bereiteten die Landsleute einen heimatlichen, ungarischen bográcsgulyás (Kesselgulasch) zu, den sie sich gemeinsam schmecken ließen.

Auch unmittelbar nach dem Dammbruch am Kachowka-Stausee und der damit einhergehenden Überschwemmung hat die Reformierte Kirche aus dem Katastrophenlager der Diakonie Zelte und Boote auf den Weg gebracht.

Wiederbeschaffte Zelte für Kachowka
Neue Boote für Überschwemmung Kachowka

Nicht vergessen werden auch die Menschen in den eigenen Gemeinden, die immer mehr unter den enorm steigenden Preisen zu leiden haben. Bischof Sándor Zán Fábián berichtet: „Die Unterkarpaten sind traditionell keine wohlhabende Region. Der Krieg im Osten des Landes lässt die Menschen weiter verarmen. Was wir im Moment beobachten, ist deprimierend. Viele Familien können kaum noch überleben. Wir versuchen, ihnen Halt zu geben und für sie da zu sein.“ Die Kirche verteilt Lebensmittel, Kleidung und Medikamente.

In der Kirchgemeinde in Dercen gibt es an fünf Tagen eine Suppenküche für 15 Kinder und für 45 alte und völlig verarmte Menschen. Das alles ist eine große Herausforderung. Auch weil die Zahl der ehrenamtlichen Helfer aus der Gemeinde immer weniger werden.

Suppenküche Dercen
Suppenküche Dercen

Ähnlich sieht es in vielen anderen Dörfern der Unterkarpaten aus. Beispielsweise in Halábor. Dort leben kriegsbedingt fast nur noch alte und gebrechliche Menschen, die oftmals keine warme Mahlzeit mehr haben. Auch dort möchte die Kirchgemeinde mit einer Sozialküche helfen. Aber auch dort fehlen die Ehrenamtlichen.
Überweisungen für die umfangreichen Aufgaben bitte mit dem Kennwort Krisenhilfe.

Im kommenden Jahr gibt es das Rehabilitationszentrum Nefelejcs (Vergissmeinnicht) in Mezövári bereits zehn Jahre. Es hilft behinderten Kindern und Jugendlichen zusammen mit ihren Familien auf einzigartigeWeise. In der Einrichtung werden die Fähigkeiten von behinderten Kindern in modernen, barrierefreien Arbeitsräumen, in einer geeigneten Umgebung und mit Hilfe von Fachleuten gefördert. Vieles wurde in diesen Jahren ausgebaut und entwickelt, auch mit unserer Unterstützung.
In der letzten Zeit gab es – erst durch Corona bedingt und jetzt durch den Krieg – keine großen Veränderungen. Das ist in der gegenwärtigen kritischen und unsicheren Situation durchaus erfreulich. Die Zahl der Kinder ändert sich jeden Monat, einmal kommt ein neues Kind dazu und ein anderes geht. Aktuell besuchen 47 junge Menschen das Reha-Zentrum. Sie werden von neun Mitarbeitern betreut, kürzlich kam eine Bewegungstherapeutin hinzu, die vorher im Kinderkrankenhaus in Munkács gearbeitet hat. Durch sie sollen auch „neue“ Kinder dazu kommen.

Zweimal pro Woche gibt es Gruppensitzungen. Es sind zwei Gruppen, Jugendliche und kleinere Kinder, vor allem Kinder mit Autismus, Aufmerksamkeitsstörungen, Lernschwierigkeiten und körperlichen Behinderungen. Die Betreuung und Behandlung ist kostenlos. Auch für die Fahrtkosten wird nur ein sehr kleiner symbolischer Betrag erhoben. Für sehr benachteiligte Kinder wird auch der vollständig übernommen. Regelmäßig werden Ausflüge und Programme organisiert.

Jugendliche des Reha-Zentrums im Sonnenblumenfeld

Große Freude und Dankbarkeit erfüllt die Mitarbeiter, wenn es kleine Verbesserungen bei den Kindern gibt, wenn Eltern sehen können, dass große Dinge passieren, zum Beispiel wenn ein Kind lernt, ein paar Worte zu sagen oder anzugeben, was es will. Jemand kann den ersten unabhängigen Schritt machen, ein anderer kann den Löffel halten, ihn zum Mund führen oder einige Bewegungen ausführen, die er noch nie zuvor gemacht hat.  Sie sehen in diesen Wundern Gottes Gegenwart.

Wenn Sie die Arbeit dort unterstützen wollen, verwenden Sie bitte das Kennwort Behinderte.

Die Reformierte Kirche der Unterkarpaten hatte 2023 zum „Jahr der Hoffnung“ erklärt und den 100. Jahrestag der Gründung des Reformierten Kirchenbezirks Unterkarpaten begangen. Aus diesem Anlass waren alle Kirchgemeinden aufgerufen, rund um den Reformationstag auf ihrem Gelände einen „Baum der Hoffnung“ zu pflanzen. Die Palette reichte von Apfelbäumen über Koniferen und Eichen bis hin zu Platanen.

 

Baum der Hoffnung mit Pfarrer Menyhárt (l.) und Bischof Zán Fábián (r.) in Vári

„Wir hören oft, dass Frieden nur mit Waffen möglich ist. Ich bin überzeugt, dass Frieden nur aus Liebe und Versöhnung, aufgrund gegenseitiger Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte geboren werden kann. Ich bin auch davon überzeugt, dass erst die Achtung der Rechte von Minderheiten und die Wertschätzung ihres Beitrages für die ganze Nation ein Land zukunftsfähig und stark macht.“ – sagt Bischof Sándor Zán Fábián.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Unterstützung, für Ihr Interesse, Ihre Mitarbeit und Engagement, für Ihre Gebete und Ihre Spenden in diesem zu Ende gehenden Jahr 2023.

Wir freuen uns vor allem über Spender, die uns und damit unsere Partner in den Unterkarpaten im Rahmen der „Krisenhilfe“ regelmäßig unterstützen.

Wir dürfen dadurch Dankbarkeit und Liebe weitergeben und den Menschen in den Unterkarpaten immer wieder Zeichen der Hoffnung und Verbundenheit schenken. Das ist wichtiger denn je.

Auch im neuen Jahr 2024 brauchen wir Sie und Ihre Hilfe und bitten sehr herzlich um Ihre Unterstützung. Es wäre schön, wenn die notleidenden Menschen in den Unterkarpaten Ihnen weiterhin Herzenssache sind.

Und bitte machen Sie die Arbeit und Projekte des Hilfsvereins Unterkarpaten auch unter Ihren Verwandten, in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis, bei Ihren Arbeitskollegen und Mitschülern sowie in Gemeindekreisen und Vereinen bekannt.

Gern kommen wir auch in Ihre Gemeinde zu einem Vortrag über die Unterkarpaten und seine Menschen, das Leben der Christen dort und unsere Arbeit. Und wir berichten auch über die aktuelle Lage. Entsprechende Anfragen richten Sie bitte an den Geschäftsführer.

Bischof Sándor Zán Fábián und Pfarrer Péter Szeghljánik grüßen Sie sehr herzlich und danken für alle Gebete und die bisherige Unterstützung!
Wir wünschen Ihnen, dass Sie trotz der angespannten Situation in Deutschland Liebe und Freude erleben und die Tiefe der Weihnachtsbotschaft persönlich erfahren dürfen. Gottes Segen für Sie und Ihre Familien auch im neuen Jahr!
 
Gemeinsam mit den Menschen in der Ukraine hoffen wir erneut auf ein friedliches Christfest.