2023 - Halbjahresbericht
In der Ukraine ist Krieg. Das ist schon lange keine Neuigkeit mehr. Nach wie vor sind die Unterkarpaten mit das „ruhigste“ Gebiet des Landes. Aber auch die Menschen dort an der Grenze zu Ungarn leben im Schatten des Krieges. Sie haben sich mit der Situation so gut es geht arrangiert und viele, wenn auch veränderte Lebensumstände sind inzwischen Alltag geworden. Seien es die Kontrollen auf den Straßen oder die deutlich gestiegenen Preise und damit einhergehend die weitere Verarmung der Menschen. In manchen Dörfern findet man fast nur noch alte Leute, die sich keine Medikamente leisten, Strom- und Gasrechnungen bezahlen und Lebensmittel kaufen können. Auch die vielen Binnenflüchtlinge leben noch dort. In unregelmäßigen Abständen gibt es Luftalarm mit oft stundenlangem Aufenthalt in Bunkern und Kellern. Besonders Kinder leiden unter der andauernden Situation. Meist fällt der Schulunterricht dann aus oder der Kindergarten hat geschlossen. Gerade in der dunklen Jahreszeit gab es mitunter stundenlange Stromabschaltungen. Zwar sind unzählige Notstromaggregate aus dem Ausland gebracht worden, aber das große Land ist quasi ein „Fass ohne Boden“.
Familien sind auseinandergerissen, Männer können nicht nach Hause kommen, alte Menschen haben ihre Kinder oft ein Jahr lang nicht gesehen. Viele Menschen wurden beerdigt, deren Angehörige nicht neben dem Sarg stehen konnten, Kinder vermissen ihre Väter und Brüder, frühere Schulkameraden und Freunde sind oft weit weg, Frauen für alle Arbeiten allein zuständig. Menschen werden zu Obdachlosen, Waisen, Trauernden, Leidenden – das beschreibt die Situation auch im Schatten des Krieges.
Die Reformierte Kirche der Unterkarpaten hatte vor dem Kriegsausbruch ca. 65.000 Mitglieder. 56.000 sind noch da. Die anfallende Arbeit bleibt an wenigen Mitarbeitern hängen, die viele Lasten zu tragen haben. Manch einer ist an der Grenze seiner Belastbarkeit angekommen.
Zunehmend soll das kirchliche und Gemeindeleben so normal wie möglich gestaltet werden. Kinder- und Jugendfreizeiten, Evangelisationswochen, Gemeindefeste gehören wieder dazu.
Bei den Ende des vergangenen Jahres stattgefundenen Kirchenwahlen in der Reformierten Kirche der Unterkarpaten wurde Pfarrer Sándor Zán Fábián erneut zum Bischof gewählt. Er übt dieses Amt seit 2007 aus.
Wie der Bischof berichtet, war die Reformierte Kirche der Unterkarpaten auch in anderer Weise gefordert. „Es wurden Bibeln auf Ukrainisch besorgt und wir haben angefangen, in unseren Kirchen Gottesdienste in ukrainischer Sprache zu halten. Vor Ausbruch des Krieges wäre das unvorstellbar gewesen. Wir haben die Dankbarkeit der Menschen gespürt. Orthodoxe und Konfessionslose aus dem Osten der Ukraine sind in unsere Kirchen zum Gottesdienst gekommen. Sie waren überrascht zu erfahren, dass wir ihnen helfen, sie willkommen heißen und für sie beten. Die Kinder konnten ungarische Gottesdienste und Sommerlager besuchen. Auch die Erwachsenen erlebten die herzliche Gastfreundschaft der ungarisch-reformierten Gemeinschaft. Es ist uns gelungen, sprachliche, religiöse und kulturelle Grenzen zu überwinden.
Der Glaube der Menschen um mich herum hat mich ermutigt. Ich war erstaunt, dass während des Krieges Kirchen renoviert wurden, junge Menschen heirateten und ein junger Pfarrer von Ungarn in die Ukraine zog, um in diesem Land zu dienen.“
Da ist eine 11-köpfige Familie. Sie kamen aus Mariupol, der Stadt an der russischen Grenze, die einst knapp eine halbe Million Einwohner zählte. Nun leben sie in einem 2000-Seelen-Dorf in den Unterkarpaten, fremd in einer ungarischsprachigen Umgebung. Sie sind Russen und hätten nie gedacht, dass Russland einen Krieg gegen sie anstiften wird. „Alle sind so freundlich zu uns“, sagt die Frau. Und sie zeigt das einzige, was ihnen von ihrem zu Hause geblieben ist, ein Fotoalbum aus besseren Zeiten. Ihr Wohnhaus wurde zerbombt. Nichts ist mehr da. Die Ruinen sind abgetragen. Ohne etwas zu verstehen gehen sie in den ungarischsprachigen Gottesdienst. Sie wollen dazu gehören.
Traurigerweise dauert der Krieg immer noch an und ein Ende ist nicht in Sicht. Keine der Seiten scheint an einem Frieden wirklich interessiert. Viele hoffen und beten für ein Wunder.
Hilfstransporte
Die Zahl und der Umfang der Hilfstransporte, die die Reformierte Kirche der Unterkarpaten aus Ungarn wie auch aus Deutschland erreichen ist gegenüber dem letzten Jahr deutlich zurückgegangen. Die Gründe dafür sind zumindest in Deutschland sehr unterschiedlich. Wir freuen uns deshalb vor allem über Spender, die die Menschen in den Unterkarpaten nach wie vor regelmäßig unterstützen.
Freunde des Hilfsvereins bringen weiterhin kleinere Hilfstransporte an die ungarisch-ukrainische Grenze.
Die Reformierte Kirche kümmert sich nach wie vor um die Flüchtlinge wie auch um Hilfssendungen in die Kriegsgebiete im Osten des Landes. Das fordert der ukrainische Staat, andererseits müssen die Kosten für diese weiten Transporte selbst aufgebracht werden. Von der Gefährlichkeit solcher Reisen noch abgesehen.
„Für die Ukraine: Eine Kanone, die satt macht“ – so titelte unlängst die hiesige Tageszeitung „Freie Presse“ ihren Bericht über die Übergabe einer Gulaschkanone/Feldküche an Pfarrer Péter Szeghljánik. Über ihn liefen die Kontakte und der Wunsch einer Nichtregierungsorganisation in Charkiw im Osten der Ukraine. Aus den Spenden unserer „Krisenhilfe“ und unter Beteiligung des Gustav-Adolf-Werkes e. V. konnten wir der Bitte nachkommen. Inzwischen hat Pfarrer Szeghljánik die „friedliche“ Kanone von den Unterkarpaten ins 1600 km entfernte Charkiw gebracht, wo sie seitdem Bedürftige mit warmem Essen versorgt.
Projekte und Unterstützungen
Seit Kriegsbeginn sammeln wir Spenden unter dem Kennwort „Krisenhilfe“ und unterstützen damit unsere Partner in den Unterkarpaten bei der Versorgung von Binnenflüchtlingen, aber vor allem auch bei der Hilfe für kriegsbedingt in Not geratene Einwohner.
Wie nötig diese Unterstützung ist, geht wohl auch aus diesen Zeilen hervor.
Überweisungen dazu bitte mit dem Kennwort: Krisenhilfe.
Kriegsbedingt ist auch die Zahl der Mitglieder der kirchlichen Freiwilligen Feuerwehr in Vári zurückgegangen. Dankbar nahmen sie im Februar ein „neues“ Fahrzeug in Besitz, dass ihnen eine Feuerwehr aus Ungarn gespendet hatte. Der Mercedes stammt ursprünglich aus Deutschland.
Die Arbeit im Reha-Zentrum „Vergissmeinnicht“ hat sich wieder stabilisiert, wenn auch mit weniger Kindern und einer geringeren Mitarbeiterzahl. Aktuell werden dort 35 Kinder betreut.
Wenn Sie die Arbeit dort unterstützen wollen, verwenden Sie bitte das Kennwort: Behinderte
In der Reformierten Kirche der Unterkarpaten ist das Jahr 2023 zum „Jahr der Hoffnung“ erklärt worden. Bischof Zán Fábián sagt: „Alle Kriege werden enden und der Frieden wird kommen. Bis dahin müssen wir uns auf Gottes Verheißungen verlassen.
Wir werden nie aufhören, für den Frieden zu beten. Wir glauben, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs auf der Seite des Friedens stünden, würde man sich vielleicht auf Friedensverhandlungen konzentrieren und nicht auf Waffentransporte, die keine Menschenleben retten, sondern sie töten. Lasst uns für den Frieden beten, denn der Frieden kann nicht nur in der Ukraine, sondern in der ganzen Welt eine Veränderung bewirken.“
Bischof Sándor Zán Fábián und Pfarrer Péter Szeghljánik grüßen sehr, sehr herzlich und danken für alle Gebete und die bisherige Unterstützung!
Für heute grüßen wir Sie herzlich aus Lengenfeld und wünschen Ihnen eine schöne und erholsame Sommerzeit. Bleiben Sie Gott befohlen!