2022 - Halbjahresbericht
Corona ist aktuell kein Thema mehr. Aber – seit dem 24. Februar 2022 befindet sich die Ukraine im Krieg. Direkt von den Kämpfen betroffen ist lediglich der Osten des Landes. Vereinzelt gab es bisher Angriffe in der Westukraine vor allem auf militärische Ziele und Nachschubwege für Waffen aus Westeuropa. Darunter einen gezielten russischen
Raketenbeschuss auf Bahnanlagen in Volóc/Wolowez in den Unterkarpaten.
Es handelt sich dabei um die wichtigste Eisenbahnverbindung über die Berge in Richtung Lemberg und weiter nach Kiew. Offensichtlich galt der Angriff den Militärtransporten aus der Slowakei.
Aber das ganze Land spürt die Auswirkungen des Krieges, bei Luftalarm heulen die Sirenen, tagtäglich werden die Bewohner mit den Flüchtlingen konfrontiert oder sind selbst zu Flüchtlingen geworden.
Seit Kriegsbeginn informieren wir unsere Mitglieder und Freunde sowie nach und nach auch weitere Interessenten in unregelmäßigen Abständen über Neuigkeiten aus den Unterkarpaten per Rundmail. Ich werde hier wichtige Informationen daraus wiederholen.
In den Dörfern der Unterkarpaten gibt es teils große Probleme, da sie fast menschenleer sind. Überall hört man die Tiere vor Hunger schreien. Die Menschen haben nur die alte Oma mit den Tieren allein zuhause gelassen. Aber die alten Leute sind überfordert mit der Versorgung des Viehs.
Viele alte Menschen wurden krank und allein zurückgelassen. Der häusliche Pflegedienst der Reformierten Kirche kümmert sich an sechs verschiedenen Stellen um mehr als 200 alte Menschen.
Vor dem Krieg gehörten zur Reformierten Kirche in den Unterkarpaten ca. 65.000 Menschen. Durch den Krieg sind ca. 30% der Mitglieder gegangen. Im Kirchenvorstand der Kirchgemeinde Vári sind beispielsweise nur noch ein Drittel geblieben.
Bischof Sándor Zán Fábián sagt: „Was wird, wenn die gehen, die man so dringend braucht? Diese Menschen fehlen uns, denn sie haben das Gemeindeleben getragen. Vor allen Dingen sind es junge Familien. Die Älteren und Alten sind zurückgeblieben.“
Die Zahl der Flüchtlinge aus den unmittelbaren Kriegsgebieten nahm im Laufe der Zeit immer mehr zu, derjenigen, die nach Ungarn oder in die Slowakei weitergezogen sind, aber vor allem derjenigen, die in den Unterkarpaten geblieben sind. Bis in die kleinsten Dörfer sind alle Unterkunftsmöglichkeiten auch in Schulen, Kindergärten oder wie in Vári im Rehazentrum für behinderte Kinder „Vergissmeinnicht“ mit Flüchtlingen überfüllt gewesen, bzw. sind es noch. Aber zunehmend gibt es auch nicht wenige, die wieder in die Ukraine zurückkehren.
In den Unterkarpaten (Fläche knapp ¾ so groß wie der Freistaat Sachsen) leben normalerweise eine Million Menschen. Jetzt sind mehr als 500.000 Flüchtlinge dort. Das bedeutet, dass diese Menschen versorgt, in Sicherheit gebracht und medizinisch versorgt werden müssen. Zum Vergleich: Für ganz Deutschland spricht man aktuell von über 800.000 Ukraine-Flüchtlingen. Noch eindrücklicher sind die Zahlen aus der Stadt Beregszász. Sie hat ca. 20.000 Einwohner und beherbergt inzwischen 15.000 Flüchtlinge.
Diese große Zahl an Binnenflüchtlingen resultiert aus der Tatsache, dass die Unterkarpaten mit das „ruhigste“ Gebiet der Ukraine sind und sie sich dort „sicher“ fühlen. Selbst eine Reihe von Unternehmen und Betrieben aus den Kampfgebieten siedeln sich in den Unterkarpaten an.
Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge, die mit der ersten Welle ankamen, waren eher die Wohlhabenden. Lamborghini, Porsche, Rolls Royce oder Jeep waren an der Tagesordnung in den Schlangen an den Grenzübergängen. In den Unterkarpaten wurde zeitweise kein Alkohol mehr ausgeschenkt, nachdem reiche „Flüchtlinge“ mit großen Autos, großen Hunden und Frauen in Pelzmänteln in den Gaststätten Orgien gefeiert hatten.
Nach und nach haben sich die Ärmeren auf den Weg gemacht und inzwischen kommen immer mehr Menschen mit der Bahn oder dem Bus. Bischof Zán Fábián besuchte ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge und berichtete: „Es gab Menschen, die kaum mit mehr als einer kleinen Tasche oder einem kleinen Beutel angekommen sind.“
Die Versorgungslage ist sehr unterschiedlich. Fleisch ist schon seit Kriegsbeginn Mangelware. Neuerdings gehört auch Salz dazu, weil ein großer Salzproduzent im Osten des Landes zerstört wurde. Treibstoff ist rationiert und an den Tankstellen gibt es lange Warteschlangen.
Aber auch Medikamente sind wichtig, für die gerade die alten Menschen nicht mehr die finanziellen Mittel haben. Andererseits sind viele davon auch nicht mehr verfügbar. Verkäuferinnen eines Supermarktes berichten, dass es noch relativ viel zu kaufen gebe. Das liege daran, dass wenige reiche Flüchtlinge zum Einkaufen kommen. Die große Menge an armen Einheimischen hat nicht mehr genug Geld, denn die Preise sind enorm gestiegen. Den Gaststätten geht es recht gut, denn man sieht abends oftmals vor allem auswärtige große Luxus-Autos dort stehen. Die Leute wollen tanzen und trinken.
Immer wieder wird auch von gefallenen Soldaten aus den Unterkarpaten berichtet.
„Gott ist barmherzig mit uns, so können wir auch barmherzig sein mit diesen Menschen, aber es fällt oft nicht leicht. – Die Reformierte Kirche in den Unterkarpaten versucht in jeder Hinsicht biblisch mit den Flüchtlingen zu handeln und das gilt auch für diejenigen, mit denen wir derzeit nicht einverstanden sind, die ihre eigene Nation über andere Nationen stellen. Aber darum geht es jetzt nicht. Jeder, der auf der Straße bleibt, braucht eine Unterkunft, jeder, der hungrig ist, etwas zu Essen. Das ist eine Art von Zeugnis, von Gnade. Und das Andere ist die Werbung für das Evangelium an die Ungarn und an die Ukrainer, die hierher geflohen sind, weil Gott uns den Dienst der Versöhnung anvertraut hat.“ – sagt Bischof Sándor Zán Fábián.
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Seit Kriegsbeginn erhält die Reformierte Kirche der Unterkarpaten Hilfslieferungen von verschiedenen ungarischen kirchlichen Organisationen und auch darüber hinaus. Sie umfassten und umfassen das ganze allgemein bekannte Spektrum, von Lebensmitteln über Hygieneartikel, Babynahrung, Spielsachen, Saatgut oder medizinische Artikel. Einen Teil davon wird weitergeleitet nach Kiew oder andere Städte im umkämpften Osten des Landes. Auf dem Rückweg werden oftmals Flüchtlinge in den Westen der Ukraine gebracht. Pfarrer Szeghljánik war anfangs selbst zweimal mit in Kiew und konnte dort sogar einen spontan organisierten Gottesdienst in ukrainischer Sprache halten.
Die Bäckerei im Diakonischen Zentrum bäckt statt der früher 1200 Brote in einer Woche jetzt täglich 1600 Brote. Damit versorgt sie nicht nur die Flüchtlinge in Beregszász, ein Teil davon wird auch in das 800 km entfernte Kiew geliefert.
Zum orthodoxen Osterfest wurde dort auch ein spezielles Ostergebäck gebacken. Dieses traditionelle, süße Osterbrot in Kuppelform wird in Ukrainisch Paska und in Russisch Kulitsch genannt. Seit Jahrhunderten gehört es zum orthodoxen Osterfest. Dieses Osterbrot kennt also keine Grenzen. Die Form erinnert auch an den italienischen Panettone.
480 dieser Osterkuchen wurden in den umkämpften Osten des Landes geschickt, 270 wurden an die Flüchtlinge im Raum Beregszász verteilt.
In vielen Gemeinden versuchen die Flüchtlinge, die dort bleiben, Gutes zu tun. Sie pflanzen Blumen in den Kirchgärten, säubern Höfe und Plätze, sammeln Abfall in den Städten und Parks oder sägen Holz.
Sehr belastend ist dagegen die Stimmung gegen die ungarische Bevölkerung der Unterkarpaten. Die nationalistische Meinungsmache macht sich bemerkbar. Ab und an gibt es in Beregszász Demonstrationen gegen Ungarn. So versuchen die ukrainischen Nationalisten, die ihre Hochburg im Raum Lemberg haben, in den Unterkarpaten Stimmung gegen die Ungarn zu machen. Das geht bis zu Morddrohungen.
Hilfstransporte
Auf unsere Vermittlung wurde vom Gustav-Adolf-Werk in Württemberg beginnend am Osterwochenende mehrere Hilfstransporte auf die Reise nach Ungarn geschickt. Ziel der LKWs war das Dorf Barabás unmittelbar am Grenzübergang in die Ukraine. Neben Pflegebetten, Lebensmitteln, Bettwäsche, Spielzeug, Schulbedarf und Saatgut wurden auch zwei gebrauchte Gabelstapler mit auf die Reise geschickt.
Erfreulicherweise konnten wir einem Hilfstransport aus Norddeutschland auf dem Weg ebenfalls nach Barabás helfen, der auf der Autobahn Richtung Prag Probleme mit der Kupplung hatte. Das Fahrzeug konnte schließlich weiterfahren, allerdings ohne den Anhänger, auf dem sich ein großes Notstromaggregat befand. Wir fanden eine sichere Unterstellmöglichkeit dafür bis es dann einige Wochen später ein Transporter aus der Ukraine zusammen mit einigen anderen Hilfsgütern hier abgeholt hat.
Freunde unseres Vereins brachten auch einige Transporte nach Barabás.
Projekte und Unterstützungen
Seit Kriegsbeginn sammeln wir Spenden unter dem Kennwort „Krisenhilfe“ und unterstützen damit unsere Partner in den Unterkarpaten bei der Versorgung von Flüchtlingen sowie der Hilfe für kriegsbedingt in Not geratene Einwohner, die im Land bleiben wollen oder müssen.
Große und kleine Spenden von unzähligen Einzelpersonen aus ganz Deutschland, aus Gemeindekreisen, Erlöse von Benefizkonzerten sowie von Schulen und Kindereinrichtungen ergaben bisher eine stolze Summe, die wir auf gesicherten Wegen zu unseren Partnern in der Reformierten Kirche der Unterkarpaten übermitteln konnten.
So ist beispielsweise aufgefallen, dass einige staatliche Kindergärten über keine Warmwasserversorgung verfügt haben. Das Wasser wurde dort auch für die untergebrachten Flüchtlinge in der Küche im Topf warm gemacht. Aus Spendengeldern hat die Kirche für diese Kindergärten Warmwasserboiler, Waschmaschinen und Kühlschränke gekauft. Oder – es konnte ein ganzer Lastzug mit Betten, Matratzen, Kopfkissen, Bettwäsche und anderer Dinge zum Thema Schlafen von einer ukrainischen Firma gekauft werden.
Wie wir von unseren Partnern hören, ist die Zahl der Hilfstransporte aus dem Ausland in der letzten Zeit deutlich zurückgegangen. Die Flüchtlinge benötigen jetzt allerdings keine Betten mehr, aber nach wie vor müssen sie versorgt werden und brauchen Lebensmittel, Hygieneartikel und andere Dinge des täglichen Gebrauchs.
Überweisungen dazu bitte mit dem Kennwort: Krisenhilfe.
Im Reha-Zentrum „Vergissmeinnicht“ konnte unlängst langsam wieder mit der Arbeit begonnen werden. Auch dort sind Mitarbeiter und behinderte Kinder mitsamt ihren Familien weggegangen.
Wenn Sie die Arbeit dort unterstützen wollen, verwenden Sie bitte das Kennwort: Behinderte
Gerne möchte ich Ihnen noch die Aussage eines ukrainischen Familienvaters mitteilen, der mit seiner Frau und drei Kindern nach Budapest geflohen ist:
„Ich weiß nicht, warum dieser Krieg passieren musste, aber ich vertraue Gott und ich weiß, dass wenn er damit ein Ziel hat, es verwirklicht wird“.
Auf einer Veranstaltung aller ungarischen Reformierten Kirchen im Karpatenbecken sprach Bischof Sándor Zán Fábián mit Worten der Dankbarkeit an die Teilnehmer. „Immer mehr Menschen beten dafür, dass sowohl offensive als auch defensive Waffen überflüssig werden. Jetzt bitte ich nicht um Spenden, sondern um Bittgebete und Fasten, weil ich glaube, dass Gott die Politik der Großmächte ändern kann.“ sagte der Bischof. Man mache sich bereits Gedanken über die Möglichkeiten eines Neustarts und die Aufgaben der Nachkriegszeit, aber er erinnerte auch daran, dass auf alle viel Arbeit warte, weil „viele Menschen vor der Tür stehen“, die mit dem Gedanken spielen, zu gehen oder zu bleiben. Er fügte hinzu: „Wir glauben, dass wir in den Unterkarpaten eine Zukunft haben.“
Bischof Sándor Zán Fábián und Pfarrer Péter Szeghljánik grüßen sehr, sehr herzlich und danken für alle Gebete und die bisherige Unterstützung!
Für heute grüßen wir Sie herzlich aus Lengenfeld und wünschen Ihnen trotz allem eine schöne und erholsame Sommerzeit. Bleiben Sie Gott befohlen!