Die Unterkarpaten
Land und Leute
Die Gegend und die Menschen ganz anders erleben
Die Gegend ist zwar wirtschaftlich arm, aber landschaftlich und an Besonderheiten außerordentlich reich.
Einige Beispiele sollen das zeigen:
Ungvár / Uschhorod
Die Gebietshauptstadt nahe der slowakischen Grenze ist über 1100 Jahre alt. Sie wurde bereits 1876 an das europäische Eisenbahnnetz angeschlossen. Bei Spaziergängern beliebt ist die längste Lindenallee Europas entlang des Flusses Ung/Usch. Sehenswert sind außerdem die Burg aus dem 9. Jahrhundert und das in der Nähe befindliche Freilichtmuseum mit vor allem in den Karpaten typischer Holzarchitektur.
Csillagfalva / Knyahinya
Unweit des Dorfes im oberen Ung-Tal (Usch-Tal), nahe der slowakischen Grenze, schlug am 09.06.1866 um 16.05 Uhr Ortszeit ein Meteorit ein. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre zeichnete er eine 200 km lange Feuerspur über der Slowakei. Der Aufprall wurde von Tausenden Menschen beobachtet und ging einher mit einer starken Explosion und Steinregen.
Das größte Bruchstück war knapp 280 kg. Ein Förster verkaufte es nach Wien, wo es bis heute im Naturhistorischen Museum ausgestellt ist und dort zu den TOP 100 der Ausstellungsstücke gehört. Weitere Reste finden sich in über 115 Museen der Welt. Es soll der größte jemals in Europa gefallene Meteorit sein.
Munkács / Mukatschewe
Die zweitgrößte Stadt der Unterkarpaten ist über 1000 Jahre alt. Die Stadt hatte zeitweise 30 Synagogen und bis zum 2. Weltkrieg einen jüdischen Bevölkerungsanteil von 40 %.
Munkács/Mukatschewe ist auch Geburtsort von Mihály Munkácsy (1844-1900), einem der größten Maler Ungarns und begabtesten Künstler seiner Zeit. Geboren als Michael Leo Lieb in einer deutschen Beamtenfamilie mit bayrischen Wurzeln, nahm er den Künstlernamen Munkácsy aus Liebe zu seiner Heimatstadt erst 1863 nach seiner Erhebung in den Adelsstand an. Er studierte in Budapest, Wien, München und Düsseldorf, und lebte später in Paris. Viele seiner Werke befinden sich heute in der ungarischen Nationalgalerie in Budapest, in der Neuen Pinakothek München, aber auch in weiteren Museen Europas und der USA.
1728 erhielt die deutsch-österreichische Adelsfamilie Schönborn vom österreichischen Kaiser Burg und Stadt Munkács und Umgebung. Die sogenannte „Domäne Munkács und Szent Miklós“ umfasste insgesamt 152 Dörfer, 4 Städte, 15 Ortschaften und 14.000 Menschen. Graf Schönborn siedelte auch viele Deutsche an, die „Schönborn-Franken“.
Die Ansiedelung leitete als Verwaltungschef der aus dem böhmischen Eger (heute Cheb/Tschechei) gebürtige Barockbaumeister Balthasar Neumann. Als Baumeister schuf Neumann rund 100 bedeutende Brücken, Kirchen, Klöster, Schlösser, Wohn- und Geschäftshäuser, u. A. die Würzburger Residenz (gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe) und die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein. Balthasar Neumann war seit 1991 auf dem 50-DM-Schein der letzten Serie abgebildet.
Der Weiße Palast oder Weißes Haus in der Fußgängerzone von Munkács wurde 1667 als Stadtresidenz der ungarischen Adelsfamilie Rákoczi erbaut. 1728 gelangte es ebenfalls in den Besitz der Familie Schönborn. 1747-48 erfolgte ein Umbau im Frühbarockstil nach den Plänen von Balthasar Neumann. Auftraggeber dafür war der neue Besitzer Graf Erwin Schönborn. 1924 kam es in den Besitz einer französischen Firma, war später Lager, dann militärische Kommandantur. Heute befindet sich dort die Fachschule für bildende Kunst.
Burg Munkács / Burg Palanok
Die Burg ist die bekannteste und bedeutendste Sehenswürdigkeit von Munkács (Mukatschewe) und befindet sich im früher deutschen Stadtteil Plankendorf/Palanok. Sie liegt auf einem 68 m hohen Massiv vulkanischen Ursprungs. Von 1263 bis 1311 überwiegend von deutschen Handwerkern erbaut, erlebt sie im Laufe der Jahrhunderte mehrere Besitzerwechsel und ein ständiges Auf und Ab. 1805 bis 1806 diente sie sogar als Versteck der Heiligen Stephanskrone der Ungarn vor Napoleon. Heute kann die Burg besichtigt werden und ist auch weitestgehend restauriert.
Beregvár / Karpati
Unweit von Munkács (Mukatschewe) im Tal der Latorca/Latoriza liegt Beregvár. Etwas versteckt befindet sich im Wald das Jagdschloss des Grafen Schönborn, das heute ein Sanatorium ist. Beim Bau wurde die Symbolik des astronomischen Jahres zugrunde gelegt, d. h. 365 Fenster, 52 Zimmer und 12 Eingänge (Tage, Wochen und Monate). Im dazugehörigen Park wachsen seltene Bäume.
Mezövári
1847 wurde in Vári Dr. Gyula (Julius) Kepes geboren. Er war als Schiffsarzt 1872-1873 Teilnehmer der österreichisch-ungarischen Nordpol-Expedition mit dem Forschungsschiff „Tegetthoff“. Der eigens dafür gebaute Dreimast-Schoner mit 24 Mann an Bord wurde im Eis eingeschlossen und triftete umher. Mehr als 1000 km vom Nordpol entfernt entdeckte man dabei Land und nannte es zu Ehren des österreichischen Kaisers Franz-Joseph-Land. Noch nie waren damals Menschen weiter nach Norden vorgedrungen. Schließlich gaben sie ihr Schiff auf und machten sich mit drei von Hunden gezogenen Rettungsbooten zu Fuß auf Richtung Süden. Nach rund 3 Monaten erreichten sie die Eisgrenze, von wo aus sie in den Booten weiter ruderten. Eine Woche später trafen sie auf zwei russische Walfangschiffe. Eines davon hat die bis dahin als verschollen geltende Mannschaft in einen Hafen gebracht, von wo aus sie mit einem deutschen Schiff nach Hamburg gebracht wurden und nach Wien weiterreisten.
Dank des Wissens von Schiffsarzt Dr. Gyula Kepes haben trotz der großen Entbehrungen mit Ausnahme von Schiffsingenieur Otto Krisch alle überlebt. Dr. Gyula Kepes wurde als Anerkennung seines außerordentlichen Dienstes und der wissenschaftlichen Ergebnisse von Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und apostolischer König von Ungarn, zum Stabsarzt ernannt.
Im Dezember 2016 erfährt Dr. Gyula Kepes eine öffentliche Würdigung in seinem Heimatort. Damit wurde ein lang gehegter Wunsch von Bischof und Ortspfarrer Sándor Zán Fábián endlich Realität. Da das Geburtshaus von Kepes nicht mehr existiert, wurde an einem Gebäude im Zentrum des Dorfes ein Reliefbild eingeweiht. Auf einer Informationstafel kann man weiterhin über das Leben von Dr. Gyula Kepes nachlesen. Initiator der Würdigung ist die Reformierte Kirchgemeinde von Vári.
Narzissental
In der Nähe der Kreisstadt Huszt (Chust) befindet sich das Narzissental. Auf rund 100 ha Fläche wächst hier der größte europäische Bestand von Stern-Narzissen in Tieflagen. Das dortige Vorkommen auf 180 – 200 m ü.d.M. ist ein Relikt der letzten Eiszeit. Normalerweise wachsen Stern-Narzissen in den Alpen, Karpaten und auf dem Balkan in Regionen ab 1000 m ü.d.M.. Das zum Karpaten-Biosphären-Reservat gehörende Naturschutzgebiet gibt es seit 1978 und umfasst insgesamt 256 ha.
Karpaten-Biosphären-Reservat
Hier leben zahlreiche Pflanzen und Tiere, die in die ukrainische bzw. europäische Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten aufgenommen sind. Darüberhinaus gibt es auch endemische, also nur hier vorkommende, Arten.
Erste Schutzmaßnahmen erfolgten schon 1908 durch ungarische Förster. Zum Karpaten-Biosphären-Reservat gehören auch die größten Buchen-Urwälder Europas.
Im Gebiet Uholka gibt es mit ca. 8000 ha den größten reinen Buchen-Urwald. Hier stehen auch die höchsten Buchen der Ukraine.
Szinevir-See
Der Szinevir-See ist einer der wenigen Gebirgsseen in den ukrainischen Waldkarpaten, und deshalb auch ein Touristenmagnet, zumal er relativ gut erreichbar ist.
Königsfeld / Királymezö / Ust-Chorna
ist eine Siedlung im oberen Tal des Flusses Tereswa (deutsch: Theresiental). Königsfeld ist, wie auch die beiden kleineren Dörfer Deutsch-Mokra und Russisch-Mokra, von Landlern aus dem Salzkammergut gegründet worden. Die waren unter Erzherzogin Maria Theresia angeworben worden, um die Holzwirtschaft im damaligen Osten des Habsburger Reiches in Gang zu bringen. Das Holz wurde dringend für die Salzbergwerke an der Theiß gebraucht.
Sie errichteten, wie sie es von zuhause gewohnt waren, auch ein System von Klausen (eine Art Staubecken), um dann immer genug Wasser zum Flößen der Baumstämme zu haben. Von den Klausen sind heute nur noch Reste vorhanden. Von den Nachfahren der Landler sind viele in den letzten Jahren nach Österreich und Deutschland ausgewandert. Die wenigen Verbliebenen sprechen den Dialekt ihrer Urheimat, aus dem Salzkammergut.
Aknaszlatina / Solotvino-Máramarosziget / Sighetu Marmatiei
Die Doppelgemeinde liegt beiderseits der Theiß auf ukrainischer und rumänischer Seite der Grenze. Unter dem Ort befindet sich einer der wichtigsten Bodenschätze der Unterkarpaten, ein kegelartiger Salzstock mit 75-80 km Durchmesser. Es gilt als das reichste Steinsalzvorkommen in Europa. Der Abbau erfolgte seit dem altrömischen Reich im Tagebau. Das erste Bergwerk wurde erst Ende des 18. Jahrhunderts in Betrieb genommen. Heute erfolgt die Salzgewinnung in 2 Gruben.
Der heute rumänische Teil der Stadt wurde nach den Verträgen von Trianon auch der Tschechoslowakei zugesprochen, aber die tschechische Regierung machte den Ort in einer „gutnachbarschaftlichen Geste“ Rumänien zum Geschenk.
Dort wurde 1928 der jüdische Schriftsteller, Friedensnobelpreisträger und Überlebende des Holocausts Elie Wiesel geboren. Wiesel erhielt 1986, als Verfasser zahlreicher Romane und sonstiger Publikationen, u. a. auf Vorschlag von Mitgliedern des Deutschen Bundestags, den Friedensnobelpreis für seine Vorbildfunktion im Kampf gegen Gewalt, Unterdrückung und Rassismus. 1944 wurde er von den deutschen Nationalsozialisten gemeinsam mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. Später kam er in das Konzentrationslager Buchenwald, aus dem er am 11. April 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. Elie Wiesel hat den amerikanischen Präsidenten Barack Obama bei dessen Besuch im Konzentrationslager Buchenwald im Juni 2009 begleitet.
Mittelpunkt Europas
Nahe Rahó/Rachiw am Oberlauf der Theiß wurde 1887 vom k. u. k.-militärgeographischen Institut das geographische Zentrum Europas als sogenannte „Urmarke“ festgelegt. Wegen des Baues der Eisenbahnlinie zwischen Rahó und Máramarossziget (Strecke Wien-Budapest-Tschernowitz / Tscherniwzi) wurden damals Vermessungsarbeiten durchgeführt.
In deren Verlauf stellten die Ingenieure fest, dass sie den geographischen Mittelpunkt Europas eingemessen hatten. Nach gründlicher Überprüfung bestätigten Wiener Wissenschaftler diese These. 1887 wurde ein 2 m hohes Denkmal aus Beton errichtet, welches im Original bis heute erhalten ist. Allerdings gibt es mehrere Orte, die für sich den Anspruch erheben, Mittelpunkt Europas zu sein.
Hoverla
Der Hoverla ist mit 2061 m der höchste Berg der Ukraine. In der Vergangenheit verliefen hier immer wieder Grenzen, wie zum Beispiel vom Königreich Ungarn zu Galizien, später zwischen der Tschechoslowakei und Polen. Noch heute stehen die 1920 aufgestellten, durchnummerierten Grenzpfähle. Heute grenzt hier der ukrainische Oblast Unterkarpaten (Transkarpatien) an den Oblast Iwano-Frankiwsk (Stanislau).